heldenreise

Was ist eigentlich diese Heldenreise?

Eine Geschichte ohne Ende, ist wie Sex – ohne, naja, du weißt schon.

Ich habe Jahrelang Geschichten geschrieben und an irgendeinem Punkt, etwas über der Mitte, bin ich aufgestanden, habe mich angezogen und bin ohne eine Nachricht zu hinterlassen, gegangen. Ich hab dann auch nie mehr angerufen. Ähm, also bildlich gesprochen:-)

Deshalb hatte ich lauter deprimierte Unvollendete in meiner Schublade.

Um eine Geschichte zu schreiben, brauchst du Struktur, auch wenn das Wort böse klingt und dir vielleicht die Nägel aufrollt. Doch tatsächlich hat jede gute Geschichte einen klar erkennbaren Spannungsbogen.

Auch wenn die Bäckerin aus dem Dorf dir erzählt, die Neue, die jetzt im Dorf wohnt, Suna, die hat gestern einen wahnsinnig gutaussehenden Typen getroffen. Aber der wollte kein Date, der wollte was ganz anderes.

Na, willst du wissen, was das war?

Der gutaussehende Typ ist übrigens steinreich. Er hat das Bürogebäude in der Birkenstraße 3 gekauft. Und er hatte da was über Suna gehört – ach, das ist übrigens streng geheim! – er hatte also etwas total Dubioses über Suna gehört, aber das hat ihn interessiert. Ob er das wirklich geglaubt hat? Kann das überhaupt sein?

Natürlich gibt es die Autoren, die einfach drauf los schreiben, bei denen das klappt, Stephen King zum Beispiel. Er arbeitet mit einem Konflikt: Setze einen Charakter in einen Raum, werfe ihm ein riesiges Problem vor die Füße und warte, wie es sich entwickelt. (Suna und der gutaussehende Typ z. B., der reich ist und etwas Geheimes über sie weiß – das klappt also auch so)

Stephen King überarbeitet aber auch unheimlich viel. Er sagt, wenn er mit der Geschichte fertig ist, dann hat der Bogen teilweise noch so große Löcher, wie Scheunentore.

Ich gehöre zu den Autoren, die besser einen Plan haben, denn sonst verlaufe ich mich im Wald. Deshalb hab ich einen Kurs besucht, um einen Kompass zu bekommen. Hab ich jetzt auch. Die Heldenreise.

Hollywood benutzt die, von Star Wars kennen wir sie. Joseph Campbell hat sie entwickelt und seine Schülerin hat dann die „Heldinnenreise“ daraus weitergeführt.

Aber was ist das denn nun? Die Heldenreise?

Klingt nach Klischee? Supermann und Schema F?

Das Geniale an der Heldenreise ist, dass du sie jeden Tag erlebst. Jeder von uns, solange wir leben. Ein Mensch bekommt eine Aufgabe gestellt und wächst daran. Die Aufgabe ist im ersten Augenblick viel zu schwer, das muss sie sein. Der Mensch weigert sich zuerst. Er will das nicht machen, er will das nicht erleben oder fühlen. Und schließlich erklimmt er den Berg und dabei verändert er sich. Wird stärker, mutiger, tapferer, schlauer, erfahrener usw.

Man könnte es natürlich als Schema F bezeichnen – oder einfach als Persönlichkeitsentwicklung

heldenreise

In der Heldenreise geht es um das Wollen und das Brauchen. Ein Thema, dass uns alle immer wieder beschäftigt. Was wünschen wir uns nicht alles, wenn es schwierig wird? Alles hinzuschmeißen? Jemanden, der uns rettet? Einen anderen Job, einen anderen Mann, andere Freunde und ein anderes selbst? Aber was ist es, was wir wirklich brauchen?

Suna, aus unserem Beispiel wünscht sich, abzuhauen, unterzutauchen, denn das kennt sie, das hat sie immer gemacht, das war ihre Lösung, die sie genutzt hat, um zu überleben. Doch ganz tief in ihr ist auch diese andere Stimme – die Stimme, die ihr sagt, was hinter ihrem Wunsch liegt. Nämlich ihr wahres Brauchen.

In der Heldenreise kommt der Punkt, an dem die Figur wirklich erkennt, was sie braucht. Was ihr wirkliches, inneres Sehnen ist. Und sobald sie es erkannt hat, beginnt sie sich wirklich zu verändern. Aber Veränderungen gehen oft nicht ohne Schmerz, nicht ohne loslassen oder auch hinfallen.

Deshalb ist die Heldenreise für mich die eine Struktur, die ich immer wieder spannend finde.

Es hat nichts damit zu tun, hirnlos irgendein Schema auf meinen Text zu drücken, sondern die Struktur menschlicher Entwicklung heraus zu arbeiten. Das ist spannend für mich als Autorin und spannend für die Leser, denn sie dürfen diese Entwicklung mitgehen und als Schatz in ihr eigenes Leben mitnehmen.

Wenn ich also eine Idee habe, wie bei Suna, dann brauche ich zwei Faktoren ganz wichtig zu wissen: Ihr Wollen und ihr Brauchen, diesen Konflikt, der im inneren tobt.

Sie will flüchten, jedoch wenn sie erneut alle Zelte abbricht, ihre beiden kleinen Brüder packt und fortgeht, dann wird sie ihr Brauchen nicht erreichen. Sie wird niemals eine Heimat haben, Freundschaft und echte Liebe erfahren. Das zerreißt sie. Und das ist der Stoff, aus dem Geschichten bestehen.

Ich bin seither nie wieder mitten in der Geschichte aufgestanden und gegangen. Und wenn ich es wollte, dann war mir klar: Ich brauche es, sie zu ende zu bringen.

Nur so bin ich zufrieden.

Eure Julei

Ps: und ob Suna sich schließlich für das eine oder für das andere entschieden hat und was mit dem gutaussehenden, reichen Typen und ihrem Geheimnis war, das kannst du jederzeit hier nachlesen:-) Oder erstmal reinlesen, das ist hier

 

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